Silent runnig

Model X:Mercedes-Benz_300SL_SW
Dazwischen liegen über sechzig Jahre: 300 SL von 1954 und Model X / Fotos: Free Wiki, Tesla Motors, Inc.

Mit dem Model S vor Erfurt nach Weimar – und zurück

Unser erstes Erlebnis am Steuer eines Tesla begann damit, dass ich erfuhr, dass ein neues Modell in der Pipeline sei: das Model X. Die Hoffnung, dass Tesla damit auch in günstigere Preiszonen vorstößt, bewahrheitete sich nicht: Das neue Modell der Kalifornier ist ein großer SUV, mit Flügeltüren wie das legendäre 300 SL Mercedes-Coupé aus den Fünfzigern und wird kaum günstiger zu erwerben sein als das aktuelle Modell. Ein kleineres Modell ist in Vorbereitung, wird aber erst 2017 auf den Markt kommen.

Nichtsdestotrotz wollte die deutsche Internetpräsenz der Firma Tesla, dass ich auf einen Button klicke mit der Aufschrift Jetzt Probefahrt buchen. Also tat ich ihr den Gefallen. Am 12. November 2015 war es soweit. Wir erschienen am Theaterplatz in Erfurt, wo vor dem Arcadia Hotel zwei Model S parkten.

BQ1A9793
Tobias Hoffmann von Tesla / Leipzig

Tobias Hoffmann war extra aus Leipzig nach Erfurt gekommen, damit auch die Thüringer die Chance haben mitzubekommen, wo die Zukunft der Mobilität liegt. Keine lange Vorrede, keine Erklärungen, „das machen wir unterwegs“, nur Führerschein vorzeigen, ein Blick in die beiden Kofferräume, dann steigen wir ein. Er auf dem Beifahrersitz, ich hinter dem Steuer, meine Frau hinten. Zurück wird sie fahren.

Alles sehr gediegen, schwarzes Leder, relativ hohe Gürtellinie, angenehme Sitz und Position, alles elektrisch einstellbar. Am Lenkrad alles konservativ wie beim Daimler, inklusive „Automatik“-Schalthebel rechts, am Armaturenbrett statt Schaltern, Reglern und Knöpfen ein riesiges Display, inkl. google maps mit Flatrate. Zündschloß gibt es keines. Das Auto erkennt die Anwesenheit seines Schlüssels und am Gewicht, dass ein Fahrer Platz genommen hat.

BQ1A9861
Hochwertig verarbeitetes schwarzes Leder und poliertes Aluminium: wir sitzen in der Oberklasse

Einmal den Start-Button gedrückt, und einmal auf die Bremse, um dem Auto zu zeigen, dass der Fahrer wach ist, und wir fahren los. Geräuschlos – ansonsten wie bei jedem anderen Automatikauto. In der Stadt fährt sich der Tesla recht normal, selbst das schaltfreie Beschleunigen ist gegenüber den modernen Automatikgetrieben nicht besondres auffällig. Auffällig ist die Ruhe, die das Auto ausstrahlt und die sich auf den Gemütszustand des Fahrers auswirkt. Rowdys wollen Lärm. Ohne Geräusche weniger Aggressivität?

Der Unterschied zu einem Verbrennungsauto wird eklatant auf der Landstraße, zum Beispiel wenn es an’s Überholen geht. Der Tesla vermittelt ein Beschleunigungserlebnis der anderen Art, da ein Moment fehlt, dass selbst der stärkste Sportwagen kennt: den Anstieg und anschließenden Abfall des Drehmoments bei höheren Drehzahlen und die Wiederholung dieses Kraftverlaufes nach dem Schaltvorgang.

Der Tesla zieht eine gefühlte Ewigkeit mit immer der gleichen maximalen Kraft von 300 kW (bei unserem Modell), einen Kraftabfall oder eine Schaltpause gibt es nicht. Es ist atemberaubend. Einzig der zunehmende Windwiderstand läßt bei höheren Geschwindigkeiten den Beschleuigungsdruck abfallen. Beim Überholen eines LKW merkt man davon nichts.

BQ1A9837

Wir rollen auf der A4 Richtung Weimar, gemütlich im Autopilot-Modus, während uns Herr Hoffmann das Auto erklärt. Unweit der Anschlussstelle hängen wir unser Model S einmal an die Steckdose, kostenlos (!) an den europaweit an allen Autobahnen vorhandenen Supercharge-Stations der Firma Tesla. Auf langen Strecken heißt E-Mobilität: Pausen einkalkulieren, Kaffee trinken, Emails checken, mit jeweils gut 45 Minuten. Alle zweieinhalb bis drei Stunden. Soll man ja sowieso. Auch so erhöht das Stromauto die Sicherheit.

BQ1A9801

Das Nachladen ist kinderleicht: auf den Knopf drücken, der als Blinker getarnt Deckel springt auf, reinstecken, fertig. Wir lernen, das die Akkus sich umso langsamer laden, desto voller sie bereits/noch geladen sind. Aha, also am besten mit weitgehend entleerten Akkus an die Station fahren.

Zurück nach Erfurt fährt Judith. Stark beschleunigen ist nicht ihr Ding, schnell über die Autobahn fahren durchaus. Jetzt erfahren wir den Tesla als eine Automobil der Oberklasse, das selbst mit 200 km/h kaum Geräusche macht, und wenn dann solche ähnlich einer S-Bahn: der Motor läßt sich leicht summend wahrnehmen. Schert ein Verkehrsteilnehmer in unseren Sicherheitsabstand hinein, bremst das Auto automatisch ab, indem es die Lichtmaschine aktiviert, die die Bewegungsenergie in Strom zurückverwandelt. Nur so macht Autofahren Sinn.

BQ1A9847
Silent running. Deutschland, das ist deine Zukunft, und du merkst es nicht.